Dein UX-Writing wird übersetzt? Darauf kannst du achten

Du verfasst im UX-Writing Texte, die später in andere Sprachen übersetzt oder lokalisiert werden? Dann kannst du bereits in der Quellsprache wichtige Grundsteine legen, damit das Resultat stimmt.

Denn gute UX-Texte funktionieren nicht automatisch in jeder Sprache – sie müssen lokalisierungsfreundlich sein: klar, kontextreich und anschlussfähig an verschiedene Kulturen. Die folgenden vier Prinzipien helfen dir, das zu erreichen.

1. Lass Raum für längere Übersetzungen

Viele Sprachen brauchen für denselben Inhalt mehr Platz als Deutsch oder Englisch – besonders Französisch, Italienisch oder Spanisch.

Wie viel länger?

  • Französisch: durchschnittlich 15–30 % länger als Englisch.

  • Deutsch ist oft einiges länger als Englisch – aber kürzer als viele romanische Sprachen.

Beispiel:

  • Englisch: „Create your account“ → 21 Zeichen

  • Deutsch: „Erstelle dein Konto“ → 22 Zeichen

  • Französisch: „Créez votre compte utilisateur“ → 32 Zeichen

Der französische Text ist hier über 50 % länger. In zu knapp designten UI-Elementen wie Buttons, Headlines oder Formulare kann das zu Umbrüchen, abgeschnittenem Text oder fehlerhaftem Layout führen.

Schade! Gib wichtigen UI-Elementen ausreichend Platz, in allen relevanten Sprachen (Quelle: TED, in einem Vortrag zu Lokalisierung von Melissa Diener)

Was du tun kannst:

  • Gib wichtigen UI-Elementen ausreichend Platz.

  • Teste mit Pseudo-Übersetzungen oder längeren Platzhaltern.

  • Sprich mit deinem Design-Team:
    → Sensibilisiere dafür, dass Layouts nicht nur für die Quellsprache funktionieren müssen. Lokalisierung ist keine nachträgliche Massnahme, sondern ein Bestandteil guter UX.

  • Kläre gemeinsam, wie euer Design mit zu langen Texten umgeht:

    • Wird Text abgeschnitten (Truncation)? Wird er umgebrochen (Wrapping)? Oder muss er scrollbar sein?

    • Diese Entscheidungen haben Einfluss darauf, wie frei oder knapp du beim Schreiben in der Quellsprache sein kannst und/ oder wie du das Übersetzungsteam briefst.

Hinweis:

Bei Sprachen wie Arabisch oder Hebräisch, die von rechts nach links gelesen werden, kommen zusätzliche Herausforderungen hinzu – etwa Spiegelung im Layout oder veränderte Leseführung.

So weit wollen wir hier nicht gehen – aber das zeigt: Wer frühzeitig an Lokalisierung denkt, vermeidet spätere Überraschungen.

Übersetzungs-Textlänge verglichen mit Englisch (Quelle: ititranslates.com)

2. Denke in Lokalisierung – nicht in Übersetzung

UX-Writing braucht oft mehr als Übersetzung — also das direkte Übertragen von Wörtern in eine andere Sprache. UX-Writing braucht Lokalisierung.

Lokalisierung bedeutet, dass Inhalte auch an kulturelle, gesellschaftliche und sprachliche Kontexte angepasst werden.

Wenn wir noch einen Schritt weiter gehen, sind wir bei der Transkreation. Hier wird nicht der Inhalt, sondern die Botschaft bzw. der Effekt “übersetzt”. Dabei wird ein Text häufig komplett umgeschrieben.

Was das bedeutet:

  • Die Tonalität ist nicht überall gleich akzeptiert.

  • Humor, Emojis oder bildhafte Sprache wirken in verschiedenen Kulturen ganz unterschiedlich.

  • Auch Anredeformen, Höflichkeit und Direktheit variieren stark.

  • Beispiel: In Deutschland ist der Ton oft formeller als in der Schweiz (obwohl in beiden Ländern Deutsch gesprochen wird), während man in Frankreich häufig indirekter und höflicher kommuniziert.

Warum das für dich im UX-Writing wichtig ist:

  • Du legst mit deinem Text den Effekt fest – nicht nur die Worte.

  • Wenn du diesen Effekt im Briefing oder im Kontext deutlich machst, kann er auch in anderen Sprachen situationsgerecht und nutzerzentriert umgesetzt werden.

  • Lokalisierung kann sogar innerhalb desselben Sprchraumes nötig sein. Wir haben z.B. total unterschiedliche Effekte derselben Copy gemessen in Deutschland und der Schweiz.

Grafik, die Beschreibt, wie sich Übersetzung, Lokalisierung und Transkreation unterscheiden.

Übersetzung vs. Lokalisierung vs. Transkreation (Quelle: Worldtranslation.com)

3. Vermeide verkettete Strings und isolierte Satzteile

Automatisch zusammengesetzte Textelemente bzw. Strings wie:

"Du hast " + {x} + " neue Nachricht(en)."

…sehen technisch effizient aus – funktionieren aber nicht zuverlässig in mehreren Sprachen, weil Grammatik und Satzbau sich ändern.

Beispiel:

  • Deutsch

    • Singular: „Du hast 1 neue Nachricht.“

    • Plural: „Du hast 3 neue Nachrichten.“

  • Englisch

    • Singular: „You have 1 new message.“

    • Plural: „You have 3 new messages.“

  • Französisch

    • Singular: „Tu as 1 nouveau message.“

    • Plural: „Tu as 3 nouveaux messages.“

Die Artikel, Adjektive und Substantive verändern sich je nach Anzahl – einfache Stringverkettung funktioniert hier nicht zuverlässig.

Artikel, Adjektive und Substantive verändern sich, und die Wortstellung ist nicht überall gleich. Diese sprachlichen Feinheiten können nicht über einfache String-Verkettung abgebildet werden.

Was du tun kannst:

  • Verwende vollständige Strings mit Platzhaltern (oder achte selbst darauf und gib auch Übersetzenden immer genügend Kontext mit).
    Du hast {count} neue Nachrichten.

  • Ergänze Hinweise: Was ist {count}? Wie verändert sich der Satz je nach Zahl?

  • Möglicherweise musst du hierzu auch das Entwicklungs- oder Designteam sensibilisieren.

4. Achte auf ein gutes Briefing für das Übersetzungsteam

Selbst der klarste UX-Text ist schwer zu übertragen, wenn das Übersetzungsteam den Kontext nicht kennen. Viele arbeiten mit isolierten Textelementen oder Strings – ohne Einblick in den Flow, das Produkt oder die Zielgruppe.

Stell dir vor, du bekommst ein Excel mit hunderten von Textzeilen, teils nur einzelne Wörter oder Fragmente – ohne Erklärung, Screenshots oder Anwendungsfall.

So kannst du keinen guten Übersetzungs- bzw. Lokalisierungs-Job machen – auch nicht mit viel Erfahrung. Und genau so sieht Lokalisierung in der Praxis leider oft aus.

Was ein gutes Briefing enthalten sollte:

  • Was ist das Produkt / Feature?

  • Wo erscheint der Text (Button, Modaltitel, Mail...)?

  • Was passiert davor und danach im Flow?

  • Wer ist die Zielgruppe (Ton, Vorerfahrung)?

  • Was soll der Text bewirken (informieren, warnen, aktivieren...)?

Und wichtig:

Nicht alle Lokalisierungsteams haben UX-Writing-Erfahrung.

Die Übersetzung eines Blogartikels funktioniert ganz anders als bei interaktiver Microcopy.

  • Achte bei der Auswahl der Übersetzungsprofis oder Agenturen darauf, dass UX-Know-how vorhanden ist.

  • Wenn nicht: Hole sie ins Boot, schule sie, oder unterstütze mit Guidelines.

5. Nutze nützliche Lokalisierungs-Tools

Es gibt mittlerweile spezialisierte Tools, die dich bei der Lokalisierungsarbeit unterstützen und die Zusammenarbeit mit Lokalisierungsteams erleichtern. Und dabei meine ich nicht Excel ;-)

Ich habe beispielsweise viel mit Lokalise gearbeitet.

Mir gefällt bei Lokalise z. B., dass ich direkt im Tool Kontext für Übersetzende mitgeben kann (z.B. Screenshots). UX-Writing hängt stark vom Kontext ab (wo im Interface erscheint der Text, was ist der Zweck?). Lokalise erlaubt es, Screenshots oder Beschreibungen direkt an Strings zu hängen, damit Übersetzende zielgerichtet arbeiten können.

Weiter gefällt mir die Möglichkeit habe, technisch Zeichenlimits festzulegen. Gerade in UI-Texten ist der Platz oft knapp.

Ich habe gute Erfahrungen gemacht mit dem Tool “Lokalise” (Quelle: Lokalise)

Mit Frontitude entwickelt sich ebenfalls eine ganze UX-Writing-Suite, die auch bei der Zusammenarbeit mit Übersetzungsteams hilft.

Ich nutze im Moment einfach das Figma-Plugin, dass mir anzeigt, wie lange ein Stück Copy in einer anderen Sprache sein wird. Das hilft auch beim Sensibilisieren des Design-Teams.

Frontitude ist ein Tool, dass verschiedenste UX-Writing Use Cases abdeckt - darunter auch die Lokalisierung (Quelle: Frontitude)

Fazit

Im UX-Writing gestaltest du Texte, die wirken – und das nicht nur in deiner Sprache, sondern potenziell auch in anderen Märkten und Sprachen.

Wenn du das bereits in der Quellsprache berücksichtigst (und auch das Entwicklungs- und Design-Team dafür sensibilisierst), legst du einen wichtigen Grundstein dafür, dass das funktioniert.

Denn UX endet nicht bei der Sprache, in der du schreibst – sondern bei der Sprache, in der Nutzer*innen dein Produkt erleben.

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“Schlechtes UX‑Writing ist ein Hauptgrund für Frust bei Usern”