Bessere User Experience dank Klartext: Einfache Sprache im UX-Writing
Gutes UX-Writing sorgt dafür, dass Menschen digitale Produkte reibungslos nutzen können – vom ersten Klick bis zum Erreichen ihres Ziels.
Ein zentraler Hebel dafür ist Einfache Sprache: Sie reduziert kognitive Hürden, macht Informationen schnell erfassbar und verhindert unnötige Missverständnisse.
Studien zeigen jedoch, dass Unternehmen und Behörden zu komplex kommunizieren – auf einem Sprachniveau, das über dem der breiten Bevölkerung liegt.
Notwendig wäre eine Sprache, die Schüler der 5.-7. Klasse verstehen. Praktiziert wird eine Sprache für Studierende. Das führt zu Fehlern, erhöhten Supportkosten, abgebrochenen Prozessen und unzufriedenen Nutzer*innen.
„Bei uns wurde oft auf einem viel zu hohen Sprachniveau geschrieben – C1 oder sogar C2 – obwohl ein grosser Teil unserer Kundschaft A2 oder B1 hat. Diese Erkenntnis führte zu einem strategischen Umdenken.“
Einfache Sprache im UX-Writing ist deshalb ein entscheidender Erfolgsfaktor für Conversion, Kundenzufriedenheit und digitale Barrierefreiheit.
In diesem Artikel schauen wir uns an, was Einfache Sprache eigentlich ist, was sie mit UX-Writing zu tun hat, welche Missverständnisse es dazu gibt, warum Einfaches Schreiben schwerer ist, als es klingt, und wie es trotzdem gelingt – inklusive konkreter Tipps, die sich direkt im Alltag umsetzen lassen.
Was ist Einfache Sprache?
Einfache Sprache ist ein Ansatz, um Texte so zu gestalten, dass sie von möglichst vielen Menschen verstanden, gefunden und angewendet werden können – unabhängig von Bildung, Sprachkenntnissen oder Stresslevel.
Sie richtet sich einerseits an Menschen, die auf vereinfachte Kommunikation angewiesen sind, aber auch an alle, die Informationen schnell und klar erfassen möchten.
Moderne Definitionen – wie sie auch in der internationalen ISO-Norm 24495-1 und den deutschen DIN-Regeln festgehalten sind – beschreiben Einfache Sprache über vier Dimensionen:
Relevanz: Die Leserschaft bekommt genau die Informationen, die sie braucht – nicht mehr und nicht weniger.
Auffindbarkeit: Informationen sind so strukturiert und gestaltet, dass sie leicht zu finden sind.
Verständlichkeit: Formulierungen sind klar, präzise und ohne unnötige Komplexität.
Verwendbarkeit: Die Informationen lassen sich direkt anwenden, um ein Ziel zu erreichen.
„Einfache Sprache ist ein Ansatz, um Texte so zu gestalten, dass sie von möglichst vielen Menschen verstanden, gefunden und angewendet werden können – unabhängig von Bildung, Sprachkenntnissen oder Stresslevel.“
Wichtig zu wissen:
Wird oft auf Verständlichkeit reduziert: In der Praxis wird das Thema Einfache Sprache immer noch in erster Linie als “einfach verständlich” verstanden (also Punkt 3 dieser Liste). Auch KI-Tools, die Einfache Sprache versprechen, konzentrieren sich in erster Linie auf diesen Aspekt. Also aufgepasst, wenn ihr über das Thema spricht: Das Konzept, dass Menschen damit verbinden, ist nicht immer dasselbe.
Nicht 1:1 auf UX-Writing übertragbar: Einfache Sprache hat ihren Ursprung im Behörden- und Gesundheitswesen und der klassischen Kundenkommunikation. Ausserdem beziehen sich die Normen auf Sachtexte. Wenn wir sie im UX-Writing anwenden, müssen wir also ein paar weiterführende Aspekte mitdenken. Trotzdem geben die ISO 24495-1 einen anerkannten Rahmen, um wichtige UX-Writing-Prinzipien mit Blick auf anerkannte Standards zu begründen.
Wieso ist Einfache Sprache so wichtig?
Ob im Online-Shop, im Kundenportal oder im digitalen Antragsprozess – Verständlichkeit wirkt sich in der digitalen Wirtschaft direkt auf Effizienz, Kosten und Kundenzufriedenheit aus.Komplexe Sprache hingegen führt zu Fehlern, Verzögerungen, unnötigen Supportkosten und abgebrochenen Prozessen – und damit zu messbaren Umsatzverlusten und sinkender Kundentreue.
Digitale Self-Service-Angebote brauchen Verständlichkeit
Immer mehr Unternehmen setzen auf Self-Service-Angebote, Kundenportale und digitale Prozesse. Kund*innen sollen möglichst viele Anliegen selbstständig erledigen können: Verträge anpassen, Bestellungen verwalten, Rechnungen abrufen oder Daten ändern.
Der Erfolg solcher Angebote steht und fällt mit klarer, verständlicher Kommunikation.
Sind Anweisungen oder Formulare zu kompliziert, passiert schnell Folgendes:
Fehler bei Eingaben oder Auswahlentscheidungen
Abbrüche mitten im Prozess
Erhöhte Supportanfragen, weil Menschen Hilfe brauchen, um weiterzukommen
Verlust potenzieller Kund*innen, wenn der Prozess zu mühsam ist
Vertrauensverlust in die Marke oder das digitale Produkt
Firmen und Behörden kommunizieren zu komplex
Wiederholt haben Studien gezeigt: Unternehmen und Behörden kommunizieren auf einem Sprachniveau, das über dem der Bevölkerung liegt. Das bedeutet, dass ein erheblicher Teil der Menschen Mühe hat, zentrale Informationen zu verstehen.
Firmen und behörend kommunizieren zu komplex (Quelle: Uni Hamburg)
Wichtiger Aspekt der Barrierefreiheit
Einfache Sprache ist zentral, um barrierefreie Produkte zu kreieren, was wiederum in vielen Fällen rechtlich gefordert ist. Mehr dazu unten, wenn es um Barrierefreiheit und einfache Sprache geht.
Einfachheit ist entscheidend – auch für Menschen, die nicht darauf angewiesen sind
Einfache Sprache ist nicht nur für Menschen relevant, die darauf angewiesen sind. Auch Fachleute in komplexen Themengebieten schätzen es, wenn sie Informationen schnell erfassen können, um ihr Ziel effizient zu erreiche. Einfache Sprache macht also jedes Produkt und jede Kommunikation nutzerfreundlicher, unabhängig von Zielgruppe oder Komplexität des Inhalts.
Informationsüberflutung verstärkt das Problem
Wir leben in einer Welt, in der Informationen in riesigen Mengen auf uns einströmen. Wer hat da hat Zeit oder Energie, sich zusätzlich durch unnötig komplexe Texte zu kämpfen?
UX-Writing Masterclass: Lerne Einfache Sprache und mehr!
Einfache Sprache war schon immer ein Kernaspekt von gutem UX-Writing. In unserer UX-Writing Masterclass beschäftigen wir uns ausgiebig mit dem Thema.
Was hat Einfache Sprache mit UX-Writing zu tun?
Ein Hauptziel von UX-Writing ist es, Menschen sicher und reibungslos und mit guten Gefühlen durch digitale Produkte zu führen, vom ersten Klick bis zur Zielerreichung.
Einfache Sprache ist ein wichtiges Instrument in der Werkzeugbox des UX-Writings, um dieses Ziel zu erreichen.
Wenn wir die holistische Definition von Einfacher Sprache mit den 4 Dimensionen betrachten, sind die Schnittstellen zwischen Einfacher Sprache und UX-Writing sogar recht gross: Im UX-Writing praktizieren wir genau die Methoden und Tools, die uns ermöglichen, für Relevanz, Auffindbarkeit, Verständlichkeit und Verwendbarkeit zu sorgen.
Dementsprechend war Einfache Sprache schon immer ein Kernaspekt von gutem UX-Writing.
„Ein Hauptziel von UX-Writing ist es, Menschen sicher und reibungslos und mit guten Gefühlen durch digitale Produkte zu führen, vom ersten Klick bis zur Zielerreichung. Einfache Sprache ist ein wichtiges Instrument in der Werkzeugbox des UX-Writings, um dieses Ziel zu erreichen. “
Im UX-Writing kommen einfach weitere Aspekte hinzu, die bei der Einfachen Sprache keine Rolle spielen oder deren Umsetzung beeinflussen, wie beispielsweise Tone of Voice, die Eigenheiten interaktiver digitaler Produkte oder die technische Machbarkeit.
Hier ein paar spezifische Aspekte, die Einfache Sprache im UX-Writing zusätzlich spannend (und zusätzlich herausfordernd machen):
Der Platz ist knapp: Microcopy – etwa auf Buttons, in Fehlermeldungen oder Formularhinweisen – bietet oft nur wenige Zeichen, um die wichtigste Information zu vermitteln. Mit wenigen Worten und auf einfache Weise das Wichtigste zu sagen erfordert Übung und Taktik (zahlt sich aber aus!).
Cognitive Load reduzieren: Jede unnötige Komplexität kostet mentale Energie. Klare, einfache Sprache sorgt dafür, dass Nutzer*innen nicht mit dem Text kämpfen müssen, sondern sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren können.
Das Ziel liegt ausserhalb der Worte: Niemand öffnet eine App oder Website, um den Text zu lesen. Die Worte sind Mittel zum Zweck – das Ziel ist z. B. ein Ticket kaufen, eine Hose bestellen, eine Steuererklärung abgeben, eine bestimmte Information finden oder eine Adressänderung vornehmen.
Anforderungen an Barrierefreiheit: Hierzu mehr im entsprechenden Abschnitt unten.
Wirtschaftlich zahlt Einfache Sprache im UX-Writing direkt auf zentrale Unternehmensziele ein:
Supportkosten reduzieren, weil weniger Rückfragen und Fehler auftreten.
Abschlüsse und Conversion-Rates erhöhen, weil der Weg zum Ziel einfach ist.
Nutzerzufriedenheit steigern, weil die Erfahrung angenehm und reibungslos ist.
Loyalität fördern, weil zufriedene Nutzer*innen eher wiederkommen und die Marke weiterempfehlen.
Zwei häufige Missverständnisse über Einfache Sprache
Missverständnis 1:
Erfahrene Experten wollen komplexe Texte
Auch Menschen, bei denen wir spontan das Gefühl haben, sie mögen es komplex, weil sie in einem Fachgebiet arbeiten oder sehr belesen wirken, schätzen einfache Texte. Warum? Weil sie nicht gekommen sind, um zu lesen, sondern um ihr Ziel zu erreichen.
Einfache Sprache spart Zeit und reduziert Denkaufwand, unabhängig davon, wie gebildet oder erfahren jemand ist. Studien haben sogar eine negative Beziehung zwischen Komplexität und wahrgenommener Intelligenz des Absenders festgestellt: Bei komplexen, schwer leserlichen Inhalten wird der Autor als weniger intelligent bewertet (vgl. z.B. Oppenheimer 2006).
Missverständnis 2:
Kompliziert schreiben wirkt kompetent
Viele glauben, sie müssten Fachbegriffe und komplexe Satzkonstruktionen verwenden, um seriös oder professionell zu wirken.
In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall: Kompetenz zeigt sich darin, komplexe Inhalte verständlich zu machen – nicht darin, sie unnötig kompliziert klingen zu lassen. Einfach heisst nicht salopp oder banal, sondern relevant, auffindbar, verständlich und verwendbar.
„Wir pflegen bei uns im Unternehmen einen formellen, sachlichen Schreibstil. Das heisst aber nicht, dass er technisch oder kompliziert sein muss! Ich habe jetzt [nach einem Kurs mit The Gondola] Tricks auf Lager, um auch eine formelle, sachliche Markensprache menschlich, verständlich und nahbar klingen zu lassen.“
Einfache Sprache und Barrierefreiheit
Einfache Sprache hilft allen – aber im Kontext der Barrierefreiheit ist sie besonders wichtig.
Für manche Menschen ist Einfache Sprache nicht nur hilfreich, sondern unverzichtbar, um ein Ziel erreichen zu können. Dazu gehören beispielsweise Menschen mit kognitiven Einschränkungen, Menschen, die gerade eine neue Sprache lernen, oder Personen, die aufgrund von Stress weniger aufnahmefähig sind.
Wichtig zu wissen: Einfache Sprache ≠ Leichte Sprache
Achtung, Verwechslungsgefahr: Im Kontext von Barrierefreiheit wird neben der Einfachen Sprache auch die Leichte Sprache diskutiert. Auch wenn beide Konzepte das Ziel haben, Inhalte verständlicher zu machen, unterscheiden sie sich deutlich in Zielgruppe, Regeln und Einsatz.
Leichte Sprache ist stark vereinfacht, streng geregelt und vor allem für Menschen gedacht, die kaum lesen können. Sie hat sogar eine eigene Grammatik und wird in digitalen Produkten oft wie eine zusätzliche Sprache gehandhabt: Neben Deutsch, Französisch oder Englisch gibt es dann beispielsweise auch Deutsch – Leichte Sprache als Option. Sie wird häufig parallel zu Texten in Standardsprache angeboten, damit Menschen, die auf diese Form angewiesen sind, gleichberechtigten Zugang zu Inhalten haben.
Einfache Sprache gehört zur Standardsprache, ist flexibler und breiter einsetzbar. Sie verzichtet auf unnötige Komplexität um Texte grundsätzlich und für alle zu vereinfachen, folgt ansonsten aber der gehabten Grammatik.
Das Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB sagt dazu: “Die Leichte Sprache entspricht dem Niveau A1-A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Die Leichte Sprache ist nicht dasselbe wie die einfache Sprache. Die einfache Sprache ist eine weniger vereinfachte Sprache und wird eher dem Niveau B1 des europäischen Referenzrahmens zugordnet. Menschen mit einer geistigen Behinderung brauchen jedoch meist die Leichte Sprache.”
Im UX-Writing ist Einfache Sprache immer ein Thema, unabhängig von der Zielgruppe und vom Thema Barrierefreiheit. Leichte Sprache schauen wir uns immer separat an.
„Im UX-Writing ist Einfache Sprache immer ein Thema, unabhängig von der Zielgruppe und vom Thema Barrierefreiheit. Leichte Sprache schauen wir uns jeweils separat im Kontext der Barrierefreiheit an.“
Warum einfach so schwer ist – und wie es im UX-Writing trotzdem gelingt
Mittlerweile ist gut definiert, was Einfache Sprache ausmacht, zum Beispiel in der internationalen ISO-Norm 24495-1 und den deutschen DIN-Regeln. Und im UX-Writing ist Einfachheit seit jeher ein elementarer Grundpfeiler. Die Theorie steht, die Grundsätze sind klar. Doch es hapert bei der Umsetzung.
Warum einfach so schwer ist:
Einfache Sprache will gelernt sein: Sie erfordert Übung und bewusstes Auseinandersetzen, insbesondere wenn sie im Kontext von UX-Writing angewendet wird. Es lohnt sich, dass sich alle Beteiligten im Projekt aktiv damit befassen, um ein gemeinsames Verständnis und konsistente Qualität zu erreichen.
Fachwissen kann blind machen: Wer tief im Thema steckt, neigt dazu, Fachsprache und Abkürzungen zu verwenden, oft ohne zu merken, dass andere damit nichts anfangen können. Zum Glück gibt es im UX-Writing gute Methoden und Tools, um genau mit dieser Schwierigkeit umzugehen.
Gewohnheitssprache: Formulierungen, die „schon immer so“ verwendet werden, werden selten hinterfragt, auch wenn sie unnötig kompliziert sind.
Angst vor Einfachheit: Manche befürchten, zu einfache Texte könnten unprofessionell oder banal wirken – ein Missverständnis!
Fehlendes Bewusstsein bei relevanten Personen: Führungskräfte oder Fachabteilungen erkennen oft nicht, wie stark Sprache den Erfolg digitaler Produkte beeinflusst.
Zeitdruck im Projektalltag: Einfache Sprache muss zu einem gut trainierten Automatismus und Teil etablierter Prozesse werden, damit sie auch unter engen Deadlines konsequent umgesetzt wird.
Rechtliche und branchenspezifische Anforderungen: Komplexe rechtliche oder regulatorische Sprache lässt sich nicht immer vollständig vermeiden. Hier kommt die wahre UX-Writing-Magie ins Spiel: die Balance zwischen notwendiger Genauigkeit und maximaler Verständlichkeit – am besten in Kombination mit einer guten Portion Stakeholder-Management-Kompetenz.
Damit es trotzdem gelingt, ist es wichtig, im Team ein starkes Bewusstsein für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Relevanz Einfacher Sprache zu schaffen. Und die, die digitale Produkte texten, müssen das Handwerk einfach beherrschen. Das inkludiert einerseits die Einfache Sprache selbst, aber auch die Fähigkeit, relevante Stakeholder (Rechtsabteilung, Fachabteilung, etc.) mit an Bord zu holen.
Entdecke das Potenzial von UX-Writing für deine Arbeit!
In den UX-Writing Kursen von The Gondola lernst du Einfache Sprache und viele weitere Aspekte, die für den Erfolg digitaler Produkte zentral sind.
Fazit
Einfache Sprache im UX-Writing ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für nutzerfreundliche, barrierefreie und wirtschaftlich erfolgreiche digitale Produkte.
Sie reduziert kognitive Hürden, steigert Verständlichkeit und Effizienz – für alle Nutzenden, nicht nur für jene, die darauf angewiesen sind.
Wer sie konsequent umsetzt, spart Kosten, erhöht Conversion-Rates und schafft Vertrauen. Einfach heisst dabei nicht banal, sondern klar, relevant und professionell.